Auszug aus
Titostern über
Kärnten.
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Autor Ingomar Pust
Herausgegeben und verlegt vom Kärntner Abwehrkämpferbund,
Landesleitung 9020 Klagenfurt.
Rätselhaftes Schweigen
um tote Partisanin
Mysteriöser Fall auf der Saualm
Am Gedenkstein für gefallene Partisanen im Friedhof Eisenkappel steht der Name "Frieda Pavlic". Es handelt sich um die Tochter einer heimattreuen Familie, die Paulitsch heißt.
Wenn die Befürchtung der inzwischen verstorbenen Eltern zutrifft, dann ist Frieda nicht gefallen, sondern auf der Saualm auf mysteriöse Weise umgekommen.
Die Eltern waren zeitlebens empört darüber, daß der Name ihrer Tochter auf dem Partisanengedenkstein steht. Sie ist an einer ganz anderen Stelle des Friedhofes begraben. Die Partisanen haben sich um die sterblichen Überreste nie gekümmert.
Die Mutter war es, die aufgrund eines anonymen Hinweises, das vermutliche Grab auf der Saualm in der Nähe von St. Oswald ausfindig gemacht hatte. Mit einem Kind unter dem Herzen hatte sich die hochschwangere Frau aus Eisenkappel im Mai 1945 aufgemacht, um auf der Saualm nach dem Grab ihres Kindes zu suchen. Das "ungeborene Kind" im Mutterleib ist längst erwachsen und heute Revierinspektor bei der Polizeidirektion Klagenfurt. Ihm ist es zu verdanken, daß wenigstens der Versuch unternommen wurde, durch die Exekutive das rätselhafte Schicksal seiner Schwester klären zu lassen.
Die Mutter ist im Vorjahr gestorben, ein paar Monate vor ihrem Tod erhielt sie ein anonymes Schreiben, dessen Inhalt ihren Lebensabend schwer überschattet hatte. Revierinspektor Anton Paulitsch, ihr Sohn, übergab das Schreiben der Gendarmerie. Es trug den Poststempel "14. April 1985" und war beim Postamt Klagenfurt aufgegeben worden.
Erst durch diesen Brief erhielt die Mutter die schaurige Nachricht, dass ihre Tochter Frieda keines natürlichen Todes gestorben sei. Partisanen jedoch behaupten, sie ist gefallen.
Das Dunkel um den Fall fängt mit dem Verschwinden des damals 17jährigen Mädchens an. Die Partisanen wußten, daß sie auf die Familie des Mädchens nicht zählen konnten. Der Bruder Friedas diente bei der Luftwaffe. Als er 1944 auf Urlaub kam und von der Gefahr hörte, von den Partisanen verschleppt zu werden, brach er den Urlaub ab und rückte eine Woche früher zu seiner Einheit ein, die in der Normandie stand.
Und ausgerechnet ein Mädchen aus dieser Familie mußte ihr Landdienst-Pflicht-Jahr auf dem Kordeschhof ableisten, der als Partisanenstützpunkt galt. Auf dem Hof diente als Magd Apollonia Pasterk, die später übrigens einen Onkel Friedas, Anton Paulitsch, heiratete, der bei den Partisanen war. So kreuz und quer gingen im Grenzland die politischen Grenzen durch Sippen und Familien.
Die Mutter Friedas war eines Tages gewarnt worden. Eine Nachbarin hatte ihr zugeraunt: "Paßt auf die Frieda auf! 'Die' werden eines Tages mit ihr gehen."
"Die", das waren die Partisanen. Die Mutter nahm die Warnung sehr ernst. Sie machte sich schon am nächsten Tag auf, um die Tochter vom Kordeschhof heimzuholen, der auf einem Berghang südlich von Vellach steht. Aber sie kam schon zu spät. "Die Partisanen haben sie mitgenommen", sagten die Leute am Kordeschhof. "Entführt?", fragte die Mutter. "Nein, sie ging freiwillig", behauptete die Apollonia. Sie habe sogar die Fliegeruniform ihres Bruders mitgenommen, der auf Urlaub war.
Mehr sagte sie nicht. Und die Leute vom Kordeschhof wollten auch später nichts vom Schicksal des Mädchens wissen. Das Schweigen ist das Verdächtige an diesem Fall. Die Nachbarn schwiegen, die mit den Partisanen in Verbindung gestanden waren, und auch von der Tochter drang kein Lebenszeichen mehr ins Elternhaus.
Der Vater glaubte einmal, seine Tochter erkannt zu haben, als er nachts als Posten auf der Völkermarkter Draubrücke stand. Zwei dunkle Frauengestalten strebten dem Nordufer zu. "Sieht fast so wie die Frieda aus", dachte er. Aber daß sie es gewesen sein könnte, wurde ihm erst später klar, als er erfuhr, daß sie auf der Saualm gestorben war.
Eine Zeugin erzählte Friedas Mutter, sie habe ihre Tochter in einem Bauernhaus in der Vellacher Kotschna gesehen. Die Zeugin, Frau Herta Spruk, war damals 14 Jahre alt und auf einem Botengang von einem Titoposten abgefangen worden, als sie bei jenem Hof vorbeikam. Sie wurde festgehalten, um die Partisanen nicht verraten zu können. Im Haus wurde sie, auf diese Weise, Zeugin eines Verhörs. Ein Partisan beschuldigte ein weinendes Mädchen eine Spionin zu sein und kündigte ihr an, daß sie erschossen werde. Unter den anwesenden Personen habe sie damals Frieda erkannt. Sie sei wie ein Häuflein Elend im Hintergrund gestanden und habe ihr den Eindruck einer Gefangenen gemacht.
Es ist sicher, daß Frieda Paulitsch nicht aus ideologischen Gründen mit den Partisanen ging. Sie dürfte es aus Sympathie für einen Partisanen, namens Knees, getan haben.
Einen Knees gab es bei den Partisanen wirklich. Er war ein wilder Bursche, der auch nach dem Krieg das Stehlen auf der Saualm nicht aufgab. Zweimal flüchtete er aus der Strafanstalt Karlau, zweimal wurde er wieder eingefangen. Zwischen Kriegsende und der zweiten Verhaftung im Jahre 1952 konnten ihm nicht weniger als 95 Einbrüche im Saualmgebiet nachgewiesen werden. Er war zuletzt in der Gemeinde Eberndorf wohnhaft und soll inzwischen gestorben sein. Er hat bei der Tragödie sicher eine Rolle gespielt.
Nur hochgestellte Partisanen konnten es sich leisten, eine "Kampfgefährtin" zu ihrer persönlichen Verfügung zu behalten, ansonsten konnte der Wald im Partisanenkampf kein Platz für längerdauernde Liebesidylle sein. Die Disziplin war mörderisch hart und Knees vermutlich im "Haufen" nur ein kleines Licht. Was lag näher für die junge Frau, als fortdauernde Enttäuschung.
Etwas stimmt da nicht.
Das ist eine der merkwürdigen Passagen in dem anonymen Brief, die mit hoher Wahrscheinlichkeit an die mögliche Wirklichkeit herankommt: "Sie wollte nicht gefügig sein den Partisanen, sondern nur einem."
Es wird laufend Konflikte gegeben haben, und Frieda Paulitsch mußte über ihr Los so unglücklich gewesen sein, daß sie sich offenbar mit Fluchtgedanken trug. Zumindest muß sie bei den Partisanen als "unsichere Kantonistin" gegolten haben. Darauf deutet eine dunkle Aussage des Mannes der Apollonia hin, der bei den Partisanen auf der Saualm war. Er äußerte sich nach dem Krieg im Gasthaus: "Es ist gut gewesen, daß die Frieda ums Leben kam, sie hätte uns sonst noch alle verraten."
Diese Äußerung des Expartisanen macht deutlich: Mit dem Tod des Mädchens stimmt etwas nicht. Nie kam der Familie der Toten eine Nachricht der Kampfgefährten über ihr Ende zu. Das Gasthaus der Mutter wurde von Expartisanen gemieden. Niemand wollte etwas über das Schicksal des Mädchens wissen. Kein Wort findet sich über sie in der Literatur der Partisanen.
Durch Zufall nur hörte die Mutter Friedas im April 1945 von einer in Eisenkappel lebenden Frau, daß Frieda im Saualmgebiet ums Leben gekommen sei. Diese Frau wollte die Information von ihrer Tochter haben, die Verbindung mit Partisanen hatte.
Daraufhin brach die hochschwangere Mutter ins Saualmgebiet auf. Ein abenteuerliches Unternehmen in der chaotischen Zeit des Zusammenbruches. Von einem Jäger hörte sie von einem Massengrab im Gebiet von St. Oswald. Aber damals mußte sie unverrichteter Dinge umkehren. Im Juni 1945 kam sie mit ihrem Sohn Anton nieder. Erst im Oktober 1945 konnte sie die Öffnung des Grabes durchsetzen. Sie hatte gehofft, die Tochter an einem Brandmal an der Hand sicher erkennen zu können. Aber die Hoffnung trog.
Es waren zwölf Leichen in einem Grab, die in der Umgebung gefunden worden waren. Aber alle waren schon derart verwest, daß unter Fleischresten schon die Knochen sichtbar waren. Der Jäger vom Frühjahr war bei der Exhumierung dabei. Er hatte die Leichen gesehen, bevor sie begraben wurden. Frau Paulitsch zeigte ihm das Bild der Tochter. Er sagte: "Möglich, daß es die Blonde war." Aber jetzt war von der Identifierzung der Blonden keine Rede mehr. Lediglich eine Fliegeruniform und langes blondes Haar deuteten auf ihre Tochter Frieda hin.
"Wir waren ohne Nahrung"
Das, was von ihr übrig war, fand auf dem Friedhof Eisenkappel die letzte Ruhestätte. Frau Paulitsch war bis zu ihrem Tode nie sicher, ob die menschlichen Überreste wirklich die ihrer Tochter waren. Fliegeruniform trugen auf der Saualm nämlich mehrere Partisanen, weil auf einer Kuppe eine Flakeinheit eingesetzt war, die geheimnisvolle neue Geräte installieren sollte. Friedas Tod blieb für die Familie im Dunkeln. Keiner ihrer ehemaligen "Kampfgefährten" kümmerte sich um sie, keiner durchbrach die Mauer des Schweigens.
Erst im Jahre 1984 wurde Frau Paulitsch über dritte Personen davon verständigt, daß eine, ebenfalls aus dem Raum Eisenkappel stammende Expartisanin, Helene Kuchar, mit ihr reden und ein Foto von Frieda haben möchte. Aber Frau Paulitsch wollte mit ihr nichts zu tun haben. Sie ließ die Expartisanin wissen, sie sei an einem Gespräch nicht interessiert.
Frau Lene Kuchar ist im Frühjahr 1985 im LKH Klagenfurt gestorben. In einem Büchlein hatte sie ihre Erlebnisse bei den Partisanen geschildert. Sie scheint eine Meisterin der Konspiration gewesen zu sein, denn sie erzählt ausführlich, wie sie die Gestapo hinters Licht geführt und ihre Umgebung getäsucht hatte. Frieda erwähnte sie mit keinem Wort.
Der anonyme Brief gibt Rätsel auf.
Der Gedanke an Kannibalsmus scheint absurd. Hatten die Partisanen sich nicht reichlich Lebensmittel von den einsamen Höfen geholt?
Das hatten sie. Aber nicht im Winter 1944/45! In seinem Buch "Gemsen auf der Lawine" schreibt Pruschnik wörtlich: "Hören wir, was uns Mirko und Lux über die Heldentaten des letzten Winters berichten: ´Die Unsrigen fielen. Überall lagen ihre Knochen und die gesamte Saualpe war mit ihrem Blut getränkt. Es fiel 2 m Schnee. Wir standen ohne Nahrung da, die Munition ging uns aus. Wir waren hungrig, zerrissen und schlecht ausgerüstet. Der Schnee lag 2 Meter hoch und die Temperatur erreichte minus 30 Grad. Wir überstanden übermenschliche Anstrengungen.´"
Selbst wenn man die Übertreibungen von Pruschnik in Rechnung stellt, gab es sicher eine Hungerperiode, die angesichts von 2 Meter Schnee bei den riesigen Entfernungen der Siedlungen auf der Saualpe durch Beutezüge nicht zu beheben war.
Auf Seite 291 seines Buches läßt Pruschnik Partisanen berichten, daß sie geweint hatten, als sie im Mai 1945 Südkärnten aufgeben mußten. Wörtlich heißt es da: "Wir hatten nicht geweint, als wir auf der Saualpe zwei Monate lang hungerten. Damals hatten wir nicht geweint. Wir hatten Kälte und Tod verspottet. Jetzt aber weinten wir."
Die Hungerperiode hatte also zwei Monate gedauert. Damals gab es noch von seiten der Deutschen versträrkte Partisanenjagd durch Jagdkommandos auf Schi. Die Partisanen hatten keine Schi. Sie waren unbeweglich und hilflos.
Eine andere Tatsache ist auch noch ins Auge zu fassen: Es ist in der Dokumentation "Titostern in Kärnten" festgehalten: Vom Bodental abgesehen, gab es beim Foltern und Töten nirgends solche Grausamkeit wie auf der Saualm.
Hungerperiode und Grausamkeit ändern freilich nichts an der Fragwürdikeit des wirrköpfigen anonymen Briefes, der eine Mischung von Dichtung und Wahrheit sein könnte. Wer immer ihn schrieb, er wußte um das Verhältnis Friedas zu dem "einen" Partisanen, er wußte, daß sie als Sicherheitsrisiko galt. Frieda wäre nicht die einzige gewesen, die vor dem Tod von einem Haufen vergewaltigt wurde. Wir wissen heute, was 1944 im Lobniggraben geschah.
Aber der Brief hätte wahrscheinlich kaum soviel Beachtung gefunden, wenn nicht 40 Jahre lang das merkwürdige Schweigen um den Tod des Mädchen gewesen wäre.
Von kirchlicher Seite wird es für sehr unwahrscheinlich gehalten, daß ein Priester diesen Text geschrieben haben könnte. Abgesehen von der krausen Darstellung, er hätte gar kein Beichtgeheimnis verletzt. Aber wenn es kein Priester war, wer schrieb dann den Brief, der ein seelisches Attentat gegen die Mutter war. Wer konnte ein Interesse daran haben, die Familie nach 40 Jahren mit einer so grausigen Mitteilung zu schocken?
Das große Rätsel ist das Motiv. Monatelange Fahndung der Sicherheitbehörden nach dem Verfasser des Briefes bleiben ergebnislos. Der Tod der Frieda Paulitsch bleibt ungeklärt.
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